bildung.social ist einer von vielen unabhängigen Mastodon-Servern, mit dem du dich im Fediverse beteiligen kannst.
Bildung unter den Bedingungen der digitalen Transformation.

Verwaltet von:

Serverstatistik:

848
aktive Profile

Johann Uhrmann

Weil sich hier in meiner Bubble offensichtlich viele Fragen, warum sich ein geschätzt großer Teil der Bevölkerung nicht von seinem KfZ trennen möchte, starte ich hier einen Erklärungsversuch.

Also: Warum ist das Thema motorisierter Individualverkehr so stark aufgeladen?

Ein Thread (1/n)

Shoutout an @SheDrivesMobility

Stell dir vor, du bist so ca. 15, 16 Jahre.
Deine gesellschftl. Teilhabe beschränkt sich auf
Schule und ein paar wenige Bekanntschaften, die du
dir nicht aussuchen kannst.

Wenn du dich mit jemanden triffst, dann musst du
dafür immer einen Gefallen einfordern.
Du darfst nicht frei entscheiden, wie lange du bleiben
möchtest. Das entscheidet grundsätzlich jemand anders
für dich. Du gehst entweder früher als du möchtest
oder musst Zeit totschlagen in einer für dich eher
unangenehmen Umgebung.
(2/9)

Was macht das mit dir?
Was macht es mit deinem Drang nach Freiheit?

Die beschriebene Situation erleben Jugendliche ohne
KfZ und ohne gut ausgebauten ÖPNV.
Je nach konkreter Situation fühlt es sich nur
unangenehm an oder wie ein persönliches Alcatraz.
(3/9)

Dann bekommst du einen Führerschein und dein
erstes KfZ. Plötzlich entscheidest du selbst,
wie du deine Freizeit verbringen kannst, mit wem,
wie lange.
Wenn es dir wo gefällt, bleibst du.
Wenn nicht, fährst du wieder heim oder woanders hin.
Es ist ein überwältigendes Gefühl von Freiheit,
die Fremdbestimmtheit fällt wie Fesseln von dir ab.
(4/9)

Die Verbindung von Freiheit und KfZ hat sich
durch diesen Schlüsselmoment fest in der
Persönlichkeit verankert.
Bei manchen kommt dann mit der Zeit noch der
Luxusgedanke dazu, für andere ist das Auto
ein Safe Space und Rückzugsort.
Wieder andere genießen die (gefühlte) Kontrolle
über eine möglichst leistungsstarke Maschine.
(5/9)

Da das Auto ja ohnehin vorhanden ist und
Autofahren keine sofort wahrnehmbaren Kosten
verursacht(*), wird es im Leben zu einer
Selbstverständlichkeit.

*) Im Gegensatz zum ÖPNV gibt es beim Auto
keine unmittelbar wahrnehmbare Kopplung von
Fahrtantritt zu Bezahlvorgang.
frei nach dem Motto "nur Tanken, Steuer, Versicherung und
Wartung kosten, Fahren ist gratis"
(6/9)

Jetzt kommt jemand, der deine Selbstverständlichkeit,
deine gefühlte Freiheit, deine Selbstwirksamkeit
bedroht.
Der dir sagt, dein Verhalten sei falsch.
Der dir sagt, es sei schädlich für dich und andere.
Jemand will dich gefühlt wieder zu diesem unfreien
15jährigen machen.
Du sollst dein Bose-Soundsystem und die Klimaautomatik
gegen eine Horde lärmender Schulkinder tauschen.
Du sollst dich bei Regen mit dem Rad zur Arbeit
quälen und dort nass und verschwitzt ankommen.
(7/9)

Dein Gehirn versucht diesen Freiheitsentzug mit allen
Mitteln zu bekämpfen. Es wird alles daran setzen zu
argumentieren, dass du auf das Auto angewiesen bist.

Weil du mangels funktionierender Alternativen bereits
als Kind gelernt hast, dass es nicht anders geht.
(8/9)

Warum ich das alles schreibe?
Weil ich wichtig finde, dass diese Emotionen nicht
außer Acht gelassen werden.
Nur wenn die Emotionen berücksichtigt werden,
kann Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Rein logisch und rational wird man die wenigsten
überzeugen können auf das Auto zu verzichten.
(9/9)

@uhrmann interessanter Thread, danke fürs Teilen! Die Emotionalisierung beginnt sogar noch früher: mit Moped oder Roller. 16 und endlich mobil. 😎