Auf Twitter wird gerade der KI-gestützte #EducationCopilot gefeiert, mit dem man (angeblich) in kurzer Zeit komplette Kurse inklusive eines Kursplans, Lernmaterialen, Fragen, Aktivitäten und weitere Resourcen erstellen kann.
Siehe z.B.:
https://twitter.com/DanFitzTweets/status/1611041460496760836
oder
https://twitter.com/AmandaFoxSTEM/status/1611353300372176897
Also habe ich das mal mit einem Beispiel aus (na was wohl) der Elektrotechnik ausprobiert.
Ein Thread: 1/x
Zunächst klickt man sich auf https://app.educationcopilot.com/ einen Account (im Moment wohl noch Beta) und geht auf den "Unit Planner".
Dort gibt einen "Unit Name" und das "Subject or Course" an, z.B.
"Fundamentals of Electrical Engineering for AI"
und
"Electrical Engineering".
Dann fragt einen der #EducationCopilot noch nach einigen Details, also:
"This unit should cover:"
und
"Standards / Objectives:"
Ich habe da mal aus meiner Sicht relevante Dinge für die #GrundlagenDerElektrotechnik eingetragen.
- knowledge of basic terms like charge, current, voltage, resistance, capacitance, inductance, electric power and energy
- elements of circuit schematics
- series and parallel connection of resistors
- voltage divider and current divider
- basic electric circuits 3/x
Schließlich kann man dem #EducationCopilot sagen, aus wie vielen Lerneinheiten der Kurs bestehen soll.
Ich habe mal 5 gewählt.
Mit einem Klick auf "Create Unit" kann man dann die Kursübersicht erzeugen. 4/x
Nach einigen Sekunden generiert der #EducationCopilot dann folgende Übersicht:
Day 1
Introduction to Electrical Engineering
Day 2
Voltage and Current Calculations
Day 3
Resistance Calculations
Day 4
Charge Calculations
Day 5
Summary and Review
Modul 1 ist vermutlich immer eine Einführung, das letzte Modul vermutlich immer eine Zusammenfassung. Der restliche Inhalt wird auf die anderen Module aufgeteilt. Das ist bis dahin durchaus sinnvoll. 5/x
Für jeden Tag bzw. jedes Modul kann man dann per Klick
- einen Lesson Overview
- Student Objectives
- Essential Questions
erzeugen. Das dauert dann wiederrum einige Sekunden. (6/x)
Ich zeige hier mal die Ergebnisse für Modul Nr. 2
"Voltage and Current Calculations":
Die Ergebnisse sind ganz okay, wiederholen aber im Grunde nur meine Eingabe mit den Verben "Discuss", "Explain" und "Introduce".
Captian Obvious sagt mir als Lehrperson aber natürlich, dass ich neue Themen einführen, erklären und diskutieren sollte.
Wenn ich von Didaktik gar keine Ahnung habe, ist das vielleicht hilfreich, sonst eher nicht, vor allem, weil das "Wie" ja erst mal offen bleibt. (7/x)
Die "Student Objectives" und "Essential Questions" gehen in die gleiche Richtung:
Die "Objectives" starten alle mit "Explain", "Calculate", Describe" und "Apply" und enden mit meinen Themenvorgaben.
Die "Questions" machen das Gleiche mit "How" und "What" am Anfang.
Okay, bisher hat die KI des #EducationCopilot also viel redundanten Blindtext nach meinen Vorgaben erzeugt, wirklich geholfen aber eher nicht. (8/x)
Nun kann man per Klick auch einen
- Lesson Plan, ein
- Educational Handout & einen
- Context Builder
erstellen.
Das dauert dann auch mehrere Sekunden bis Minuten und erzeugt mehrseitige PDF-Dateien mit entsprechenden Kursmaterialien.
Was man für interaktive Lehrformate mit PDFs soll und warum z.B. nicht HTML, Markdown oder XML erzeugt wird, erschließt sich mir nicht wirklich. Meine "PDF-Wäscheleine" ist schon voll genug.
"AI Video Recommendations" werden in meinem Fall nicht angezeigt. (9/x)
Okay, schauen wir mal auf den "Lesson Plan" für Tag 2.
Die Lernziele sind soweit okay, aber Caption Obvious lässt auch hier erneut freundlich grüßen, denn der Inhalt geht kaum über meine Vorgabe hinaus.
Nur die naheliegende Anwendung der Kompetenzen auf "real-world problems" hat die "KI" des #EducationCopilot ergänzt.
Zwischenfazit: bisher so lala (10/x)
Anschließend schlägt mir der #EducationCopilot mögliche Lernmaterialien vor, die aber so auch auf jedes andere x-beliebige Thema passen würden.
Als Vorgehensweise schlägt mir die KI vor, das Thema mit einer Diskussion und einem Brainstorming unter den Lernenden zu motivieren, dann die verschiedenen Begriffe und Konzepte einzuführen, sowie anhand von praktischen Probleme zu vertiefen und zu diskutieren. Soweit so banal. (11/x)
Als "Modellhafte Praxis" schlägt mir der #EducationCopilot dann vor, das Thema an einem Beispiel, an einem kleinen Laborversuch und anhand einer Diskussion weiter zu vertiefen.
Wie man dann nun konkret tut und was man dabei konkret beachten muss, um beim immerhin nicht ganz ungefährlichen Thema "Strom und Spannung" niemanden zu gefährden, bleibt leider komplett offen.
Hilft mir das als Neuling in der Lehre? Vielleicht.
Hilft mir das als erfahrende Lehrperson? Eher nicht. (12/x)
Als geführten Praxisvorschlag schlägt mir der #EducationCopilot dann Gruppenarbeiten mit individualisierten Aufgaben (die ich mir aber wohl noch allein ausdenken muss) und anschließender Ergebnispräsentation oder die (didaktisch aus meiner Sicht auch eher unterklassige) Nutzung eines Arbeitsblatts vor. Zu diesem Arbeitsblatt kommen wir gleich noch.
Auch das sind wohl doch eher Basistricks aus dem didaktischen Werkzeugkasten. (13/x)
Als "eigenständige Übung" sollen die Lernenden einfach selbst ein paar Aufgaben rechnen, eine Geschichte zum Thema schreiben (die wird bestimmt super) oder eine PowerPoint-Präsentation vorbereiten, in der sie selbst das Thema vorstellen (laaaangweilig ;-)).
Ob die Geschichte und die Präsentation wirklich helfen, die Grundlagen der Elektrotechnik zu durchdringen, wage ich mal zu bezweifeln.
Einige Aufgaben zu rechnen ist da schon nützlicher. Aber welche genau? Und in welcher Reihenfolge? (14/x)
Die "typischen Problemfelder" wiederholen dann einfach alle bisherigen Themen, klar die #GrundlagenDerElektrotechnik sind nicht einfach.
Lösung: Einfach viele praktische Beispiele geben und die Lernenden selbst rechnen lassen, zu Fragen ermuntern und Diskussionen fördern. Caption Obvious ist wieder voll dabei.
Zum Abschluss:
- Lernende eine kurze Zusammenfassung schreiben lassen (Wer liest die?)
- Quiz machen (Mit welchen Fragen?)
- Feedback geben (Wie genau wird es konstruktiv?) (15/x)
Okay, werfen wir noch einen Blick auf das vom #EducationCopilot erstellte Handout, in dem aus meiner Sicht die nötige Theorie zusammengefasst sein soll.
Der erste Abschnitt ist nicht grundlegend falsch, aber nahezu jeder x-beliebige Internetbetrag dazu ist besser, erst recht Lehrbücher und vor allem die Wikipedia.
Anstatt "Power" sollte dort inhaltlich auch eher Widerstand stehen, so dass der Verweis auf das Ohmsche Gesetz auch besser passt. (16/x)
Weiter geht es mit den Formeln zur Reihenschaltung und Parallelschaltung von Widerständen. Diese sind formell richtig. sind aber natürlich suboptimal formatiert. Außerdem fehlt hier mal eine Skizze oder eine Visualisierung in Form eines Schaltbildes.
Erneut wäre nahezu jede andere Resource deutlich brauchbarer als das hier. (17/x)
Inhaltlich falsch und damit wirklich "gefährlich" für Nicht-Expert*innen wird es dann bei der Stromteilerregel und Spannungsteilerregel.
Der Stromteiler ist korrekt erklärt, der Spannungsteiler nicht. Hier ist der Zusammenhang direkt proportional, nicht invers.
Der zweite Abschnitt ist sehr allgemein und damit auch eher weniger hilfreich.
Problem: Der Text vom #EducationCopilot klingt erst mal gut. Wenn man keine Ahnung hat, wird man das womöglich glauben. (18/x)
Die vom #EducationCopilot geschriebene Zusammenfassung ist ganz okay, ermöglicht aber auch nicht die Berechnung von allen einfachen Schaltbildern und weist nicht auf Grenzen hin, z.B. wenn eine Stern-Dreieck-Transformation notwendig ist.
Es gibt auch keine Literaturquellen oder Tipps zum weiteren Lesen.
Das Motto ist eher: Believe it or not. Don't question. I don't know it better either.
(19/x)
Außerdem generierte der #EducationCopilot noch eine Seite mit "Context", eine Art Glossar mit Definitionen, Erklärungen und Beispielen.
Diese sind nicht allzu falsch, aber auch nicht immer ganz klar und eindeutig (z.B. dass P = U * I das Ohmsche Gesetz sein soll, oder dass die Spannung und der Strom sich immer zu gleichen Teilen aufteilen).
Sehr störend ist der schlechte Formelsatz, die Overprints und dass statt einem Ω ein © angezeigt wird. UTF8 lässt grüßen. (20/x)
Fazit: Ich kann die zum Teil euphorische und sehr positive Sichtweise nicht nachvollziehen.
Welcher Lehrperson soll das nützen? Weder als Einsteiger*in, Fortgeschrittene*r, noch Expert*in kann ich davon profitieren, weil ich es entweder nicht nachvollziehen kann oder besser weiß.
Auch als Lerner*in frage ich mich: Möchte ich so einen generisch KI-gebauten Kurs besuchen und durcharbeiten? Und wenn ja, warum genau jetzt? Warum nicht direkt explorativ oder konstruktivistisch lernen? (21/21)
@MMagdowski Ich habe ja nun wirklich überhaupt keine Ahnung von diesem Thema, aber mir schwebt gerade eine Art "Es war einmal das Leben"-Version für Elektrotechnik vor? Mit kleinen Strom-Dingens und irgendwas fliegt? Fänd ich gut.
(Und fairerweise, wenn SuS das erstellen können, haben sie sehr viel verstanden.)
Aber danke für den thread, hatte von dem Programm noch gar nichts mitgekriegt und deine Darstellung ist interessant